Langsam aber stetig wächst meine Nervosität. Je weniger Tage mich vom Startzeitpunkt trennen, desto häufiger meldet sich ein Gedanke: Was, wenn ich kurz vorher krank werde? Dann würde das ganze Auszeit-Projekt wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen.
Und zwar ohne dass ich auch nur einen Fuß ins Flugzeug gesetzt habe. Damit wäre auch der schöne Plan von der Jungs-WG null und nichtig.
In schlechten Momenten kann ich mich in dieses Gedankenkarussell grandios hineinsteigern. Klar, ich schaffe auch wieder den Absprung, doch die Frage taucht öfter auf, als mir lieb ist. Warte ich insgeheim nur auf das dicke Ende, das meinen schönen Traum zum Platzen bringt? Weil ich dem Frieden nicht wirklich traue? Weil ich nicht glauben kann, dass eine so große Nummer wie diese Auszeit so entspannt und freudvoll auf den Weg kommen kann?
Als ich mich zum dritten Mal in diesem gedanklichen Szenario wiederfinde, habe ich den Kanal voll und bleibe ganz bewusst für eine Zeit darin gefangen. Ich bin bereit, das ganze Theaterstück mal bis zum Ende durchzuspielen. Wenn ich also krank werden würde, und das meint hier eine Erkältung oder einen ähnlich leichten Erkrankungsfall, denn weiter will ich an dieser Stelle nicht denken, würde ich vermutlich vorerst nicht reisen können. Ich würde meinen Flug verpassen und hätte mein Quartier umsonst bezahlt. Die Jungs könnten nicht wie geplant in die WG ziehen, würden aber auch nicht auf der Straße schlafen müssen, schließlich haben sie alle ein Zuhause. Wenn ich krank wäre, würde ich irgendwann auch wieder gesund werden. Und könnte mit einem erneut gebuchten Flug in ein anderes Quartier starten, nur eben später und mit höheren, ungeplanten Ausgaben. Alles nicht schön und keinesfalls wünschenswert, aber auch kein Weltuntergang. Nichts, was meine Auszeit-Pläne komplett zu Fall bringen würde.
Nachdem ich das durchgespielt habe, verschwindet der beängstigende Gedanke zwar nicht ganz, aber er verliert an Dramatik. Gut zu wissen. Nur für den Fall, dass neue Vorschläge vom Verstand kommen sollten, um mich zu beunruhigen. Mein Verstand sieht es nämlich noch immer als seine höchste Pflicht an, den Horizont nach allen möglichen und unmöglichen Problemen abzuscannen, glaube ich zumindest. Damit er mich frühzeitig warnen und so endlich zur Vernunft bringen kann.
Was er wohl macht, wenn ich trotz allem wie geplant in den Flieger steige – gesund und gut gelaunt?
Auszug aus dem 23. Kapitel
Ich habe noch nie so viel meditiert wie in den vergangenen Wochen. Es ist mir zu einem meiner wichtigsten Rituale geworden. Wie ein Rückzugsort in mir, in dem ich eine Verabredung mit mir selbst habe. Manchmal sitze ich dafür mit angewinkelten Beinen in meinen Lieblingssessel, mal liege ich abends in den Kissen.
Obwohl mir sowohl mein Geist als auch mein Körper immer wieder charmant klarmachen, dass sie nicht automatisch bereit sind zum Meditieren, nur, weil ich es mir gerade so wünsche, mache ich weiter. Ich lasse die Gedanken in meinem Kopf kreisen wie ein Gewitter, das sich in den Bergen verfangen hat. Ich bleibe sitzen oder liegen, während mein Körper zuckt, als suche sich das Zuviel an Strom unter meiner Haut einen Weg zum Entladen.
Ich atme ein und aus, ein und aus…
Nächsten Freitag geht's weiter!
Ich freu mich auf euch ;-)