Teil 6: Wenn das Pferd flüstert

Ich bin zurück. Auf diesem Reitplatz, mitten in der Pampa der fränkischen Schweiz. Einem Platz, auf dem mir schon einmal vor fast einem Jahr Giotto, ein brauner, fünfjähriger Wallach, viel über das Leben geflüstert hat. Über das Leben und mich. Ganz ohne Worte.

 

Dabei bin ich weder eine Pferdenärrin, noch kann ich gut reiten. Aus Respekt vor diesen großen Tieren gehe ich lieber auf Abstand zu ihnen. Mit Giotto jedoch laufen die Dinge von Beginn an anders, und ich kann nur staunend dabei zusehen, wie ich mich ihm neugierig nähere. Hinter seiner eindrucksvollen Größe und seinem kraftvollen Körperbau spüre ich eine sanfte Zugewandtheit. Er ist bereit, sich auf mich einzulassen und scheint mich mit seinen dunklen Augen still zu bitten, es ihm nachzutun. Das Visier fallen zu lassen, um zu schauen, wo wir stehen und wohin das mit uns führt. Auf diesem Platz geht es nicht ums Reiten, nicht einmal darum, auf dem Pferd zu sitzen. Hier geht es um Intuition und Führung und die hat in diesem Fall nichts damit zu tun, einfach nur die Zügel in die Hand zu nehmen.

 

Bei meiner ersten Begegnung mit Giotto vor einem Jahr hatte ich Tränen vergossen. Tränen der Erkenntnis, des Loslassens und der Befreiung. Zwei Stunden hatte ich hier zugebracht mit Giotto und Sandra, seiner Besitzerin. Zum Schluss war ich über den sandigen Platz getanzt.

 

Nun also bin ich zurück. Es ist mehr mein Bauchgefühl, das mich hergelockt hat mit einer unerklärlichen Neugier.

Keine Ahnung, was genau ich heute hier will. Ich erkenne kein Problem in meinem Leben, sieht man mal von der klitzekleinen Tatsache ab, dass bezüglich meiner Zukunft noch alles offen ist. Vielleicht verrät mir Giotto, was als Nächstes zu tun ist? Oder er schenkt mir einen seiner Blicke, die bis auf den Grund meiner Seele zu fallen scheinen. Einen Blick, der mir verspricht: Alles wird gut. Schon dafür hätte sich die Reise hierher gelohnt.

 

Giotto blickt mich an, als hätte er schon geahnt, dass ich wiederkomme. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, weil ich hoffe, dass er sich an mich erinnert. Dass wir schon einmal eine gute Zeit hatten und er mir geholfen hat auf diesem Platz. Dass er mir vertrauen kann, wie auch ich ihm vertraue. Ich weiß nur zu gut, Sandra und er sind ein eingespieltes Team. Eine wunderbare und warmherzige Vollblut-Mischung aus Empathie, Power und Gelassenheit. Während Giotto und ich auf dem Platz sind, bleibt Sandra am Rand und ist dennoch da mit unglaublicher Präsenz und den richtigen Worten für mich zur besten Zeit.

 

Und so erlebe ich an diesem Nachmittag zum zweiten Mal ein für mich erstaunliches Phänomen: In diesem wunderbaren Zusammenspiel komme ich mir selbst auf die Spur, spüre, was in mir los ist, was gerade dran ist, was raus muss. Ich spüre es, weil Giotto es spürt – und es mir auf liebevolle Weise spiegelt.

 

Wie ein Seismograf nimmt er meine Schwingungen auf. Für ihn zählt nicht das, was ich nach außen hin versuche darzustellen, sondern nur das, was ich von innen heraus wirklich ausstrahle. Wie klar und sicher ich bin in meiner Haltung und meiner Absicht. Es scheint die einzige Währung, die auf diesem Platz gilt. Und ich ahne es schon, bevor die Erkenntnis tatsächlich nachrutscht, dass das auch generell fürs Leben zu gelten scheint. 

 

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Je unklarer ich bin, desto eher ignoriert mich Giotto. Als wäre ich gar nicht auf dem Platz. Oder meine Anwesenheit völlig bedeutungslos.

 

Sammle dich und gib Bescheid, wenn du soweit bist. Oder wir stehen einfach nur ein bisschen hier rum, auch okay, scheint er mir zuzuflüstern. Er drängt mich zu nichts.

 

Das Erstaunliche ist: Es braucht für all das keine Worte. Ganz im Gegenteil. Hier passiert viel, viel mehr ohne Worte. Sandra beobachtet sehr genau die Dynamik zwischen ihrem Pferd und mir. Sie ist es, die mit wenigen Worten den Finger in die Wunde legt. Sie kennt ihr Pferd, sie versteht seine Reaktionen und sie spricht an, was ihr auffällt. Und so können die Dinge anfangen sich zu entwickeln.

 

So wie vor einem Jahr, als ich hier lernen durfte, dass die Zeit reif ist, aus der Deckung zu kommen, mich aufzurichten und wirklich sichtbar zu machen. Ich vergoss Tränen des Abschieds, weil ich fühlen konnte, dass dieses neue Sichtbar-werden nicht möglich ist, ohne gleichzeitig das Bedürfnis nach Sicherheit loszulassen. Mit diesem Loslassen bin ich hier auf diesem Platz noch einmal ein Stück erwachsener geworden. Rausgewachsen aus dem kindlichen Bedürfnis nach Beschütztsein-wollen. Mitten in diesem Schmerz habe ich damals plötzlich gespürt, wie gut und kraftvoll sich das anfühlt. Was für ein Gefühl, es erstmals wirklich laut auszusprechen: „Welt, hier bin ich.“ Kein Schreien, kein auf-der-Brust-rumtrommeln, kein der-Welt-etwas-beweisen-wollen. Stattdessen ein kraftvolles und gleichzeitig freudvolles Aufrichten aus mir heraus. Weil ich es will. Weil ich mich dazu bereit fühle. „Welt, hier bin ich.“ Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

 

Mit all dieser Power, die sich da in mir entladen durfte, blieb mir am Ende nur noch eins: mit Tränen in den Augen lachend über den Platz zu tanzen. Raus aus der Deckung – die Blicke von Sandra und Giotto auf mich gerichtet, fühlte es sich an wie eine Feuertaufe.

 

Und heute? Folgt Sandra ihrem Impuls und drückt mir eine Reitgerte in die Hand. So, wie sie die Sache sieht und mir erklärt, geht es gerade um nichts Geringeres als die Übernahme von Macht. Giotto und ich wissen seit unserer ersten Begegnung, was wir aneinander haben. Wir können in bester Co-Kreation miteinander sein. Das müssen wir also nicht mehr in der Endlosschleife üben. Doch was passiert, wenn ich mir erlaube, die Macht zu übernehmen? Unter meiner Führung Giotto zu wirklichen Höchstleistungen zu bringen? Ihn aus seiner Komfortzone zu schubsen?

 

Mit dem Thema Macht bin ich definitiv auch raus aus meiner Komfortzone. Mein erster Impuls mit der Gerte in der Hand? Ich würde mich am liebsten vorab bei Giotto entschuldigen. Ihm erklären, dass er nichts zu befürchten hat. Ich will ihm nicht wehtun, ich will diese Gerte nicht einsetzen.

 

Und doch kommt es anders. Nein, natürlich tue ich Giotto nicht weh. Aber ich lerne, ihn zu führen. Mithilfe meiner klaren Absicht und ja, auch mit dem bewussten Einsatz der Gerte. Und dabei spüre ich, was es wirklich heißt, Macht im besten Sinne zu übernehmen: Es heißt bereit zu sein, um in Führung zu gehen. Und es heißt vor allem auch, sich gleichzeitig der Verantwortung bewusst zu werden, die man trägt, ob für ein Tier oder Mensch. Das Beste herauszukitzeln und gleichermaßen achtsam zu sein für die eigenen Grenzen und die des anderen.

 

Das Eindrucksvolle ist: All diese Erkenntnisse bekomme ich mit meinem Tun. Ich spüre sie körperlich¸ weil ich all das fühlen darf. Ich spüre die schmale Grenze zwischen achtsamer Führung und protzigem Beherrschen-wollen. Ich spüre, was ich mit Giotto kann – und er durch mich.

 

Durch ihn und Sandra darf ich erfahren, wie machtvoll ich sein kann. Ob und welche Rolle das in Zukunft spielt, vielleicht auch für meine berufliche Ausrichtung, ist dabei nicht wichtig. Ich weiß, dass ich es kann. Was für eine eindrucksvolle Stunde – hier, auf dem sandigen Platz mitten in der Pampa.

 

Danke Bauchgefühl, dass du mich wieder hierhergebracht hast. Und danke euch Beiden – Mensch und Tier – was ihr dort möglich gemacht habt. Wieder einmal.

 

Man sieht sich immer zweimal im Leben? Ich glaube an mehr. Woher ich das weiß? Bauchgefühl!

 

 

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