Keine Faust. Weder im Bauch noch im Herzen. Kein Grund, gleich euphorisch zu werden, höchstens vorsichtig optimistisch. Es bleibt bei meiner einzigen Erwartung an den heutigen Tag: Ich möchte irgendwo einen schönen Café com leite trinken. Das muss ich allerdings bis ein Uhr mittags erledigt haben, denn heute ist Samstag und Cafés und Restaurants müssen immer noch aufgrund der portugiesischen Corona-Verordnung an den Wochenenden ab 13 Uhr schließen.
Immerhin hilft mir das dabei, aus den Puschen zu kommen. Kurz nach elf schwinge ich mich auf und suche mir einen Platz in einem der einfachen Cafés direkt an der Hauptstraße gegenüber der Marina. Ich lasse Handy, Stift und Zettel gleich in meiner Tasche, denn ich habe keinen Anspruch an irgendwas, an kreative Notizen schon gar nicht. Sitzen und gucken reicht heute. Und endlich spüre ich wieder, wie gut es sich anfühlt, tatsächlich in diesem Moment im Hier und Jetzt zu sein. Nicht im Grübeln übers Gestern hängenbleiben und nicht im Nachdenken übers Morgen verlieren. Ein bisschen wie Loriot: Ich will einfach nur hier sitzen. Der Cafe com leite, der vor mir steht, ist ein Genuss. So einfach, so gut, so kräftig.
Irgendwann stelle ich überrascht fest, dass das Café immer noch offen ist, obwohl es sicher schon nach eins ist?! Ich frage die Kellnerin in zwei leicht holpernden portugiesischen Sätzen, wie spät es ist, und ob sie denn nicht schließen müssen. Sie lächelt und antwortet in gutem Englisch: Es ist tatsächlich lange nach eins. Doch seit heute gelten neue Regelungen, so dass Restaurants und Cafés wieder ganz normal geöffnet bleiben dürfen.
Ich lehne mich zurück, könnte sein, dass ich den Rest des Tages auch hier verbringe. Erst einmal bestelle ich mir noch einen zweiten Kaffee, zur Feier des Tages. Es hätte kaum einen besseren Zeitpunkt geben können, der Freiheit noch ein Stück weiter die Tür zu öffnen.
Während ich hier sitze, rutscht eine Erkenntnis in mir nach: Die vergangenen Tage war ich in eine Art kreativen Rausch gerutscht. Ich schrieb, es floss einfach aus der Feder, ohne Mühe, dafür mit jeder Menge Freude. Im Stillen war ich mir sicher, es würde jetzt einfach immer so weitergehen. Warum auch nicht? Die Kulisse ist wunderschön, ich habe Zeit und brauche nur Dinge zu tun, die ich liebe. Schreiben, Visionen spinnen, übersprudeln vor Ideen. Warum also soll das nicht jeden Tag so sein?
Weil das Leben so nicht funktioniert. Weil auch das Leben mitten im Paradies ein Auf und Ab ist, ein Kommen und Gehen. Weil auch das Fließen-lassen, das Kreativ-sein, der Spaß-am-Machen seine Pausen braucht. Weil nach dem kreativen Rausch dieses Nichtstun, dieses Innehalten nötig ist. Ich bin enttäuscht, weil der Flow vorbei ist. Dabei ahne ich, dass in diesem Nichtstun der nächste Rausch entstehen kann, nur eben in seinem eigenen Tempo.
Das Leben will nicht gerannt werden, auch nicht im Kreativ-sein. Es will, dass wir uns Zeit nehmen für die Schönheit des Weges. Zeit nehmen zum Luftholen, für das Still-sein. Es will, dass wir bewusst sind im Tun, ebenso wie im Nichtstun. Dass wir uns Beides freudvoll erlauben. Es schenkt uns Gelegenheit, uns zu fragen, ob der Weg immer noch stimmt, auf dem wir unterwegs sind. Festzustellen, ob sich das gut anfühlt, was wir tun, wo wir es tun, mit wem und wofür.
Schon erstaunlich, dass es diese Pausen auch braucht bei den Dingen, die wir lieben und die uns oft genug leichtfallen. Ausgerechnet der gestrige Sand in meinem Getriebe hat mich mir heute ein erstaunliches Stück nähergebracht. Dabei hatte ich am heutigen Tag auf nichts weiter gehofft, als auf einen guten Kaffee.
Und der Tag? Gibt einen aus: Kaffee im Doppelpack und Freude am Sein. Ich nehme es gerührt und dankbar an.
Du willst diesen Blog unterstützen und kein Kapitel mehr verpassen?
Für bereits 4 Euro im Monat erhältst du jedes neue Kapitel meines Blogs ganz bequem als Link in dein Mail-Postfach!
So verpasst du kein Kapitel und unterstützt gleichzeitig meine Arbeit für diesen Blog. Klingt gut, finde ich!
Bist du dabei?