Kapitel 45: Es knirscht im Auszeit-Paradies

 

Vierundzwanzig Stunden lang hat es geknirscht im Paradies. Ausgerechnet in Lagos – diesem Ort, der so gut zu mir ist: mit seinen Menschen, dem schönen Apartment, dem Strand fast vor der Haustür, seinen Cafés und lauschigen Plätzen, der Sonne, die von Tag zu Tag mehr an Kraft gewinnt.

 

 

Traumhafter Ort an der Algarve Lagos Portugal
Lagos: Blick über die Stadt und die Marina de Lagos

 

Heute jedoch spüre ich schon beim Wachwerden: Das ist nicht mein Tag. Ich bin bereits auf Krawall gebürstet, lange bevor ich die Füße vors Bett setze. Und obwohl ich weiß, dass ich genaugenommen keinen Grund für Übellaunigkeit habe, kann ich doch nichts dagegen tun. Noch in den Kissen habe ich so gut wie die Gewissheit, heute ist alles möglich, leider auf der nach unten offenen Skala von „Alles nervt!“.

 

Was genau eigentlich mein Problem ist, weiß ich nicht. Es will einfach keine Freude aufkommen. Glücklicherweise sind gerade keine Mitmenschen in meiner näheren Umgebung, es wäre heute kein Spaß mit mir. Schon meine inneren Dialoge sind definitiv nicht gesellschaftsfähig.

 

Portugal Lagos Bäckerei Padaria Central
Nicht einmal meine Lieblingsbäckerei in Lagos holt mich heute aus meinem Stimmungstief

 

Passend zu meiner Laune bläst auch der Wind heute deutlich frischer als die vorherigen Tage, die Sonne verzieht sich immer wieder hinter dicken Wolken. Vielleicht hat sie keine Lust, sich das Drama mit mir anzuschauen. Das Beste wäre wohl, ich würde mich warm anziehen, vor die Tür gehen und eine große Runde laufen, vielleicht sogar direkt am Strand entlang.

 

Ich gehe tatsächlich vor die Tür. Doch statt Jeans, Pulli und Turnschuhen greife ich mir wie ein bockiges Kind ein dünnes Kleid und lasse die Strickjacke an der Garderobe hängen. Ich würde es dem Tag schon zeigen. Blöd nur, dass sich der Tag nicht darum schert, was ich hier treibe. Ich hingegen bin gerade mal eine Viertelstunde unterwegs, als ich bereits zu frieren beginne. Das war sozusagen mit Ansage. Entnervt drehe ich um.  

 

Voll mein Tag. Spruch Zitat des Tages
... ne, Leute, nicht mein Tag. Heute nicht!

 

Was mache ich nur mit diesem Tag? Vermutlich wird sich der Tag ebenso fragen: Was mache ich nur mit dieser übellaunigen Frau? Im tiefsten Inneren hoffe ich, dass ich mich irgendwie wieder einkriege, und zwar noch bevor die Sonne untergeht. Es wäre doch jammerschade um die schöne Zeit. Ganz zu schweigen davon, dass heute nichts vorankommt – ich habe weder Freude beim Schreiben noch bei sonst irgendetwas.

 

Am Ende wird das ein neues Spiel in meiner Auszeit? Tage versenken? Gegen Mittag frage ich mich ernsthaft, wie lange dieser Zustand andauern müsste, bis ich die Nase voll habe und nach Hause fahre. Ich habe keine Vorstellung davon, was ausgerechnet dort anders oder gar besser sein soll. Das Wetter ist es schon mal nicht. Der April in Deutschland liegt nicht nur unter meiner Wohlfühlmarke, er hat sich zwischen unfassbaren null und fünf Grad eingerichtet. Als wäre die Lage nach dem endlosen Corona-Winter nicht so schon ermüdend genug. Heute jedoch habe ich beim besten Willen keine Kraft für Mitgefühl mit meinen Landsleuten, ich habe wirklich gerade genug mit mir zu tun.

 

Papierboot kleines Schiff auf dem Wasser
Tage versenken statt Schiffe? Mein neues Spiel in der Auszeit?

 

Ich könnte es mit Schokolade probieren. Wie viele Tafeln es wohl braucht, bis mein Wohlbefinden wieder im Mittelwert liegt? Es lohnt sich nicht, dieser Frage länger nachzugehen, denn ich habe gar keine Schokolade im Haus. Erst vorhin hatte ich auf dem Rückweg, durchgefroren aber ohne Plan, im kleinen Supermercado an der Ecke eingekauft. Schokolade war mir dabei nicht eingefallen.

 

Noch mal loslaufen kommt jedoch nicht infrage, die zehn Minuten sind mir zu weit, außerdem ist mir immer noch kalt. Als würde ich langsam von Innen zufrieren. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich immer noch im Kleid dasitze. Glaube ich wirklich, es dem Tag auf diese Art beweisen zu können, in dem ich mir eine warme Decke oder dicke Bekleidung verweigere?  

 

Portugal Lagos Algarve Pflanzen Kakteen am Haus
Pflanze des Tages: So stachlig fühle ich mich heute

 

Am Nachmittag kann ich mich doch noch mal aufraffen. Ich will wenigstens etwas Warmes zu essen. In meinem Apartment gibt es leider keine Küche, das ist das einzige Manko. Also entscheide ich mich für das kleine Restaurant am Meer mit bester Aussicht auf die Mole und die Bucht von Lagos. Hier gibt es neben dem sensationellen Blick auch leckeren, fangfrischen Fisch.

 

Als ich im Café ankomme, sind noch fast alle Tische frei. Normalerweise wäre das ja ein Grund zur Freude, immerhin habe ich die freie Wahl. Heute jedoch überfordert mich selbst das, und so schaue ich mich unschlüssig um, auf der Suche nach dem besten Platz. Erst als der Kellner bereits gefühlte fünf Minuten neben mir steht, immer noch ein Lächeln im Gesicht, steuere ich den nächstbesten Tisch an, damit das Drama ein Ende findet. Ich bestelle Fisch und ein Glas Rosé. Der Wind weht frisch, wie bereits seit heute Morgen. Ich trage zwar mittlerweile Jeans statt Kleid, habe aber eigensinnig weder eine dickere Jacke noch ein Tuch mitgenommen.  

 

 

Nun, dann wird es wohl nicht unbedingt ein gemütlicher Aufenthalt, dafür aber immerhin eine Gelegenheit, um mich kulinarisch zu verwöhnen und ein bisschen aufzutanken. Wein und Fisch sind köstlich, ich könnte glücklich zu sein – mit diesem Essen, mit diesem Ausblick aufs Meer. Doch für überschwängliche Gefühle ist immer noch kein Platz. Also bleibe ich im Wert bei „Geht so“. Rückblickend, das ahne ich, werde ich mir für diesen verschenkten Moment mal kurz einen Vogel zeigen. Weiß ich, kann es aber trotzdem nicht ändern.

 

Am  Abend, die Sonne ist längst untergegangen, der Wind hat nachgelassen, liege ich in den Kissen und starre die Zimmerdecke an. Mein inneres Grummeln ist müde geworden. Ich habe keine Ahnung, ob der Tag morgen besser wird. Es gibt keine Gesetzmäßigkeit, die besagt, dass solche übellaunigen Tage nicht länger als vierundzwanzig Stunden anhalten dürfen. Das scheint nicht nur für normale Urlaubstage zu gelten, sondern auch für längere Auszeiten. Was für ein Jammer. Ich ergebe mich dem Gedanken. Ich habe nicht einmal Erwartungen an den neuen Tag. Doch, eine: einen einfachen „Cafe com leite“. Was daraus wird, sehen wir morgen!

 

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