Ich lasse mich draußen an einem der runden, gusseisernen Tische nieder, der noch halb in der Sonne steht. Die Wärme des Tages hängt zwischen den Häuserwänden, aus dem Inneren der dunklen Bar dringt laute Reggae-Musik.
Gekommen bin ich eigentlich für einen Kaffee, doch ich bleibe letztlich für das ein oder andere kalte Bier. Und das ist nicht die einzige überraschende Wendung an diesem späten Frühlingsnachmittag.
Kaffee gibt’s gar nicht, wie ich beim Blick in die Karte feststelle, dafür aber umso mehr Hochprozentiges. Ich muss gestehen, das passt irgendwie auch besser zur Musik, trotzdem ist mir eigentlich nicht nach Alkohol. Kurz überlege ich, mir ein anderes Café zu suchen, aber die entspannten Reggae-Klänge haben auch meinen Körper längst in den Lockerlassen-Modus versetzt. Also bleibe ich sitzen, lehne mich zurück und warte, was kommt. Erst einmal kommt nichts und niemand. Vor allem keiner vom Service.
Dass sich ein leicht verträumt wirkender Kellner doch noch aus den Tiefen der Bar blicken lässt, verdanke ich einem der beiden jungen Männer am Nachbartisch. Der steht nämlich nach kurzer Zeit einfach auf, ruft auf Portugiesisch etwas ins Dunkle der Bar und nickt mit dem Kopf in meine Richtung.
Ich bin überrascht angesichts der Anteilnahme, denn die beiden Männer am Nebentisch sehen eigentlich gar nicht so aus, als würden sie sich hinter ihren dunklen Brillen für irgendetwas interessieren, was um sie herum geschieht. Zurückgelehnte, entspannte Haltung, ungeachtet des warmen Nachmittags mit Strickbeanies auf dem dichten, lockigen Haar, die Zigarette im Mundwinkel. Mit einem Blick auf ihr Äußeres stecke ich sie in die Schublade surfende Hipster, damit ist die Sache für mich abgehakt. Ich gehöre nicht in ihr Beuteschema, sie nicht auf meinen Radar. Gepflegtes Desinteresse. Und nun das.
Manchmal glaube ich, das Leben hier ist voller kleiner Lektionen für mich. Nie besserwisserisch, nie mit erhobenem Zeigefinger. Eher augenzwinkernd und mit einer liebevollen Empfehlung für mich, doch mit offenen Augen, weitem Herzen und vor allem frei von eingefahrenen Gedanken hinzuschauen. Um mir dann zu zeigen, was sein könnte, wenn ich die Geschichte mal nicht schon kurz nach ihrem Anfang gleich wieder auf meine immer selbe Weise zu Ende erzähle. Ich muss grinsen, schließe meine Augen und gebe mich dem Takt der Musik hin.
Der Versuch des Hipsters zeigt Wirkung, wenig später steht der Kellner tatsächlich vor mir und fragt, was ich trinken will. Ich ignoriere die Getränkekarte und frage nach einem Kaffee. Er jedoch lacht, als hätte ich einen guten Witz gemacht. Dann fragt er noch einmal, was ich denn trinken will. Ich schiele zum Nachbartisch. Die Männer trinken Bier. Nun gut, dann eben Bier statt Kaffee. Ich bestelle eine kleine Flasche und ernte ein zufriedenes Nicken des Kellners, dann verschwindet er wieder.
Wenig später bahnen sich die ersten Schlucke des kühlen Biers ihren Weg scheinbar direkt von meiner Kehle ins Hirn. Es wird weicher im Kopf und im Körper, die letzte Anspannung in meinen Zellen weicht auf im dunklen Lagerbier. Schlaflosigkeit angesichts eines zu späten Kaffees ist heute definitiv nicht mein Thema.
Keine halbe Stunde später habe ich eine zweite Flasche Bier vor mir stehen und eine Konzerteinladung für den kommenden Abend. Paolo und Ricardo haben ihre Stühle vom Nachbartisch zu mir herübergeholt, wir sind über den chilligen Reggae hinweg ins Gespräch vertieft. Sie erzählen mir, dass sie Musiker sind, beide, nun also doch noch ein bisschen Klischee. Sie freuen sich auf ihren morgigen Auftritt hier in der Bar, seit langer Zeit geht endlich wieder was, auch im beschaulichen Lagos. Die Einladung steht.
Die Bar ist keine Viertelstunde von meiner Unterkunft entfernt. Vielleicht gehe ich tatsächlich hin, auch ohne cooles Strickbeanie und Zigarette im Mundwinkel. Es genügt, einfach ich zu sein.
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