Ich weiß, es ist zu früh. Immerhin sind es noch vier Monate bis zum Start. Und doch habe ich Lust zum Packen. Zumindest schon mal die ersten Dinge für die Reise bereitzulegen. Mich schreckt nicht einmal die Vorstellung, dass mir diese Sachen unzählige Wochen im Weg herumliegen könnten.
Vielleicht will ich ja vorbereitet sein für den Fall, dass es früher losgeht?
Dabei habe ich noch nicht einmal entschieden, womit ich reise: Koffer, Reisetasche oder doch besser Rucksack? Diese Unentschlossenheit hat einen einfachen Grund: Ich habe von mir selbst noch kein genaues Bild auf dieser Reise: Bin ich die Touristin mit Rollkoffer oder eher die gechillte Aussteigerin mit Rucksack auf dem Rücken? Oder bin ich irgendwas dazwischen, das in meine mittelgroße Reisetasche passt? Ich habe keine Ahnung. Bislang bin ich mir nur in einem sicher: Schweres Gepäck ist in keinem der Fälle eine Option. Ich will mich in der Freiheit und Leichtigkeit der Auszeit nicht mit zu vielen Kilos in Koffer oder Rucksack abmühen.
Fürs Erste widerstehe ich dem Impuls zu Packen. Stattdessen greife ich zu Zettel und Stift und beginne einfach aufzuschreiben, was ich mitnehmen will. Innerhalb kürzester Zeit fallen mir erstaunlich viele Dinge ein. Alles kommt erst einmal auf das große Blatt Papier vor mir. Ob es sinnvoll ist oder nicht, würde ich später entscheiden. Als ich fertig bin, hänge ich den Zettel an die Innenseite meines Kleiderschranks, griffbereit für weitere Einfälle.
Die Frage, die ich mir eigentlich stelle: Wie packt man überhaupt für dreieinhalb Monate? Ich stoße schon an meine Grenzen, Gepäck für zwei Wochen zusammenzustellen. Und nun also für einhundert Tage? Und dann noch für ein Land, dessen Temperaturen im März zwischen fünfzehn und zwanzig Grad schwanken, im Juni aber bereits gern bis auf stattliche dreißig Grad klettern. Dafür weht der Wind in allen Monaten teils kräftig und manchmal überraschend frisch. Ich sollte noch erwähnen, dass im Norden Portugals immer mal wieder mit kurzen, dafür heftigen Regenschauern zu rechnen ist. Während ich das alles recherchiere, komme ich zu dem Schluss: Ich könnte meinen Kleiderschrank einpacken. Und meinen Schuhschrank. Dazu die Fleece-, Wind- und Regenjacke von der Flurgarderobe. Ein dünnes und ein dickes Tuch, ein Basecap, einen Sonnenhut. Und würde damit vermutlich locker auf dreißig Kilo kommen. Auf einem innereuropäischen Flug sind allerdings nur zwanzig erlaubt. Vermutlich ist das auch gut so. Schließlich muss ich das Ganze auch noch selbst tragen können. Glücklicherweise habe ich noch ein paar Monate Zeit, um mir die passende Strategie zu überlegen und ebenso das passende Gepäckstück.
Ein paar Tage später finde ich bei meinen abendlichen Onlinerecherchen einen schwarzen, wetterfesten Rucksack mit fünfundfünfzig Liter Fassungsvermögen. Praktischerweise hat er an seiner Rückseite umlaufend einen Reißverschluss, sodass man ihn wie eine Reisetasche komplett öffnen kann. Ich lese ein paar Bewertungen, sehe mir die Fotos an und bestelle das Modell direkt online. Immer noch dürfen Geschäfte wie Reiseausstatter aufgrund der aktuellen Corona-Bestimmungen nicht öffnen. Ich würde also keine Gelegenheit haben, vor Ort etwas suchen und ausprobieren zu können. Wird schon schiefgehen, denke ich, während ich den Kaufen-Button drücke. Wenige Tage später trudelt das Paket ein. Ich befreie den Rucksack von seinen Umverpackungen und setze ihn vorsichtig ein erstes Mal auf. Leer, wie er ist, hängt er wie ein schlapper Fremdkörper an meinem Rücken. Ich setze ihn ab und stelle ihn neben meinen Kleiderschrank. Auch wenn wir jetzt noch miteinander fremdeln, wir würden noch Zeit haben, um uns aneinander zu gewöhnen.
Auszug aus dem 15. Kapitel
Corona und die aktuellen Regelungen machen mir einen dicken Strich durch die Rechnung. Aufgrund steigender Inzidenzen bleiben Schulen vorerst geschlossen, und so sind auch alle Kurse an der Volkshochschule bis zum Ende des Monats ausgesetzt. Im Stillen hoffe ich, dass sich die Lage innerhalb der nächsten vier Wochen bessert. Dann hätte ich immer noch knapp drei Monate Zeit Portugiesisch zu lernen. Doch auch diese Hoffnung zerschlägt sich zwei Wochen später. Die Regeln bleiben wie sie sind und die Schulen damit zu.
Die Volkshochschule informiert mich per Mail, dass in diesem Semester kein Sprachkurs mehr stattfinden wird. Gleichzeitig bieten sie mir höflich an, mich schon jetzt für den nächsten Sprachkurs anzumelden, der im kommenden Frühjahr geplant ist. Schöne Idee, allerdings werde ich dann sowieso mitten unter Portugiesisch-Muttersprachlern sein. Es bliebe für mich nur noch abzuwarten, ob ich sie verstehe, beziehungsweise sie mich. Was mache ich nur?
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Nächsten Freitag geht's weiter!